Hunderte von ermordeten Zivilisten wurden im Januar 1942 bei Neusatz (Novi Sad), Hauptstadt der heute Autonomen Provinz Vojvodina in Serbien, unter das Eis der zugefrorenen Donau geworfen. Es handelte sich dabei um die Opfer der berüchtigten Razzia der ungarischen Besatzungsmacht in der Südbatschka: neben Juden, Serben und Roma auch Deutsche und Ungarn, die ihren Mitbewohnern helfen wollten. Hält man sich die Brutalität, mit der diese Pogrome durchgeführt wurden, vor Augen, so weiß man den Mut derjenigen zu bewerten, die sich dem ungarischen Militär entgegen stellten. Und ihr Mut war nicht überall vergeblich. Daran erinnert nun eine Gedenktafel, die am 3. November 2013 in Katsch (Kać) - längst von Neusatz eingemeindet – enthüllt wurde, den Donauschwaben gewidmet und mit folgendem Text versehen ist:
Diese Gedenktafel wurde von Kaćer Serben angebracht zur Erinnerung an die Kaćer Schwaben, die im Jahr 1942 während der Razzia 170 serbische Kaćer Familien vor dem Pogrom gerettet haben.
Milanka Brkic, Kultur-Stadträtin in Neusatz, und (links daneben) Herbert Schön mit ihren Redemanuskripten vor der Gedenktafel umgeben von der Tracht tragenden donauschwäbischen Abordnung des deutschen Vereins Neusatz - Foto: Petar Djurdjev
“Diese Gedenktafel steht für menschliches, christliches Mitgefühl und aufrichtige Freundschaft zwischen dem deutschen und serbischen Volk”, erklärte Milanka Brkić, Kultur-Stadträtin in Neusatz. Die Initiative für die Gedenktafel war vom Katscher Ingenieur Dragisa Marić ausgegangen. Petar Djurdjev, Direktor des Historischen Archivs Novi Sad, sowie die Stadt Novi Sad unterstützten Marić bei seinem Vorhaben nach Kräften. Neben Vertretern der Stadt war auch eine Abordnung der Deutschen zugegen, die einst in Katsch gelebt hatten. Angebracht wurde die Tafel an dem einstigen Haus von Franz Schön, einem der Anführer der mutigen Donauschwaben. Dessen Großneffe Herbert Schön, Jahrgang 1939, erinnerte in seiner Ansprache daran, dass es trotz der grausamen Ereignisse des Zweiten Weltkrieges, in welche Deutsche, Ungarn und Serben verwickelt gewesen wären, “in schwersten Zeiten das Gute in den Menschen gab” und ergänzte: “Die guten Taten werden in den Geschichtsbüchern oft vergessen, aber es gab sie im Krieg auf allen Seiten.”
Über die Enthüllung der zweisprachigen Tafel (serbisch/deutsch) berichteten unter anderem die Novisader Zeitung, die überregionale Tageszeitung “Dnevnik” und das Novisader Lokalfernsehen. Die Novisader Zeitung titelte “Als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber den Katscher Schwaben wurde ein Denkmal eingeweiht” und zitierte Brkić, wonach es angesichts der großen Macht der totalitären Systeme “außergewöhnlich selten ähnliche Momente in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges gab”. Brkić betonte ferner: “Wir pflegen heute die Kultur der Erinnerung, und möchten klar sagen, dass die Serben sich an ihre Wohltäter erinnern, und dass wir uns an Diana Budisavljević, Archibald Reis, Elisabeth Ross und an alle anderen, die im verrückten 20. Jahrhundert serbisches Leben gerettet haben, erinnern.”
In dem Beitrag der Novisader Zeitung wird als Motivation der ungarischen Besatzungsmacht der Wunsch nach einer Schwächung des serbischen Elements und einer damit einhergehenden Stärkung des Magyarentums genannt. Deshalb kam es in einer Reihe an Orten wie Josefsdorf, Tschurug, Gospodjinci, Schajkasch, Lok, Moschorin, Vilovo, Gardinovci, Titel und Alt Betschej zur Ermordung unschuldiger Zivilisten. “Dnevnik” geht von über 4000 Menschen aus, die innerhalb eines Monats als “unerwünschte Elemente” ermordet wurden. Offizielle Begründung für das rücksichtslose Vorgehen war die Bekämpfung der Partisanenbewegung. Als das ungarische Militär in Katsch eingetroffen war, warf eine Gruppe örtlicher Deutscher ihre ganze Autorität in die Waagschale und handelte ein Verbot zur Durchführung der Razzia aus. Nach der amtlichen Volkszählung von 1931 lebten in Katsch 4184 Serben und 854 Deutsche. Die ungarische Volkszählung von 1941 stellte 4431 Serben und 957 Deutsche fest.
Auf youtube ist ein rund dreiminütiges Kurzvideo mit den Ansprachen zu sehen:
http://www.youtube.com/watch?v=j2QnebwounQ
Hier die Links zu den Beiträgen:
www.dnevnik.rs/novi-sad/kacani-se-oduzili-spasiocima-za-vreme-racije
www.novisad.rs/otkrivena-spomen-plocha-u-znak-zakhvalnosti-prema-ka-kim-shvabama
novinenovosadske.rs/otkrivena-spomen-ploca-u-znak-zahvalnosti-prema-kackim-svabama/
rtv.rs/sr_ci/vojvodina/novi-sad/spomen-ploca-nemcima-u-kacu_434660.html
novosadska.tv/vest.php?id=8388
Hier der Beitrag aus der Novisader Zeitung vom 3. November 2013 (übersetzt von Stefan Barth, 2. Vorsitzender der Donauschwäbischen Kulturstiftung):
Als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber den Katscher Schwaben wurde ein Denkmal eingeweiht
An dem Haus, das einst Eigentum des Katscher Schwaben Franz Schön war, haben die Katscher Bürger und das Zentrum für die Entwicklung der Schajkaschka (Šajkaška) ein Denkmal eingeweiht, als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber den Katscher Schwaben, die in der berüchtigten Schajkaschka-Novisader Razzia ihre Nachbarn vor dem schrecklichen Pogrom, der von der Okkupanten-Behörde geplant war, beschützten.
Die Gedenktafel enthüllte die Stadträtin für Kultur Milanka Brkić, die bei dieser Gelegenheit betonte, dass es außergewöhnlich selten ähnliche Momente in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges gab, nachdem die Macht der totalitären politischen Systeme so groß war, dass jede Idee eines Widerstandes gegenüber der Gewalt und Inhumanität von vornherein ins Verderben führte.
Trotzdem ist es an jenem kalten Januar 1942 einer Gruppe Katscher Schwaben gelungen ihre Autorität zu nutzen, um das Verschwinden dutzender serbischer Katscher Familien in Katsch zu verhindern. Es ist wichtig zu sagen, dass sich an diesem Ort der fruchtbarste und nachhaltigste Einfluss zwischen dem deutschen und serbischen Volk gerade in der Schajkaschka im 18. und 19. Jahrhundert abgespielt hat – sagte Milanka Brkić und fügte hinzu – die Serben im kommunistischen Jugoslawien waren bereit das Böse, das ihnen die Nachbarn zugefügt hatten, zu vergessen. Wir pflegen heute die Kultur der Erinnerung, und möchten klar sagen, dass die Serben sich an ihre Wohltäter erinnern, und dass wir uns an Diana Budisavljević, Archibald Reis, Elisabeth Ross und an alle anderen, die im verrückten 20. Jahrhundert serbisches Leben gerettet haben, erinnern.
Die ungarischen Okkupanten-Mächte, dem Wunsch folgend, das demografische Gleichgewicht in der Schajkaschka im Januar 1942 zu verändern, begannen mit der organisierten Tötung unschuldiger Zivilisten in Josefsdorf, Tschurug, Gospodjinci, Schajkasch, Lok, Moschorin, Vilovo, Gardinovci, Titel und Alt Betschej. Im Augenblick, als das Militär in Katsch eintraf, ist es einer Gruppe örtlicher Deutschen gelungen ihre Autorität zu nutzen und das Verbot zur Durchführung der Razzia in diesem Ort auszuhandeln. Dank dieses Schachzuges wurde das Leben von mehreren Hundert Menschen gerettet. Das ist einer der seltenen Momente in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges, dass es den Mitbürgern gelang, die Autorität des totalitären Regimes zu bezwingen und ein humanes und zivilisatorisches Werk zu verwirklichen. Für die Einwohner von Katsch stellt diese Gedenktafel, neben dem Ausdruck der Dankbarkeit, ein wichtiges Denkmal menschlichen, christlichen Mitgefühls und aufrichtiger Freundschaft zwischen dem deutschen und serbischen Volk dar.
2013-11-13