Offener Brief an den serbischen Ministerpräsidenten (Sommer 2015)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Alexandar Vučić!

Im Juli 2014 haben wir Ihnen als Donauschwaben aus Oberösterreich einen Brief geschrieben, in dem ein Anliegen vieler unserer Landsleute zum Ausdruck gekommen ist. Da wir von Ihnen seither keine Antwort bekommen haben, erlauben wir uns, unser Anliegen in Form eines offenen Briefes an Sie heranzutragen.

Der Weg zu einer toleranten Zivilgesellschaft ist lang und steinig. Das mussten Sie anlässlich der Gedenkfeiern zum zwanzigsten Jahrestag der Massaker von Srebrenica am 11. Juli 2015 am eigenen Leib erfahren. Es war für jeden Demokraten schmerzlich mit ansehen zu müssen, wie unversöhnlich sich die Parteien von damals auch nach zwanzig Jahren noch gegenüber stehen. Sie waren in der besten Absicht an den Ort des Geschehens gereist und mussten diese beleidigende Behandlung über sich ergehen lassen. Umso mehr bewundern wir Ihre Aussage unmittelbar nach diesem Eklat, dass Sie auch weiterhin bereit sein werden, den Bosniern und Ihren Gegnern im eigenen Land Ihre Hand zur Versöhnung zu reichen.

Schon während des II. Weltkriegs und unmittelbar nach seinem Ende haben die kommunistischen Partisanen an friedlichen Zivilisten, Kindern, Frauen und alten Menschen unserer alteingesessenen donauschwäbischen Ethnie einen bis zum heutigen Tag ungesühnt gebliebenen Völkermord begangen. Weil diese Verbrechen aber von der Führung des Bundesstaates Jugoslawien, zu der auch Serbien als Föderative Teilrepublik gehörte, veranlasst wurden, nehmen wir an, dass sie auch im Namen des Volkes der serbischen Teilrepublik verübt wurden. Daher sind wir der Überzeugung, dass es Ihnen, dem Regierungschef dieses Nachfolgestaates Serbien, obliegt, sich für die Verbrechen bei uns, den Angehörigen und Nachkommen der Opfer zu entschuldigen. Wir Donauschwaben haben in der Vergangenheit nicht der ganzen serbischen Bevölkerung die Schuld an diesen Verbrechen zugeschrieben und unsere Nachkommen werden es auch in Zukunft nicht tun, dessen sind wir sicher.

Wir, die heute noch lebenden Nachkommen der seinerzeit auf dem Gebiet des heutigen Serbien ansässig gewesenen 390.000 Donauschwaben, warten auf eine Geste der Versöhnung. Seit 1950 die Charta der aus allen Ostländern heimatvertriebenen Deutschen verabschiedet wurde, haben wir, auch die 120.000 Donauschwaben, die in Österreich eine neue Heimat gefunden haben, in unseren Organisationen das Verzeihen-Können kultiviert und ausdrücklich auf jede Form von Revanche verzichtet. Wir glauben, dass die Haltung des Verzeihens und der Wille zur Versöhnung in der Öffentlichkeit mehr Mut erfordern als der Ruf nach Rache und Vergeltung.

Wir glauben, dass die Zeit gekommen ist, wo auch Sie Ihren Versöhnungswillen vor der Weltöffentlichkeit beweisen sollten und möchten Sie ersuchen, in drei Bereichen initiativ zu werden. Helfen Sie uns, dass das Parlament in Belgrad eine generelle Rehabilitation aller unschuldigen Donauschwaben beschließt. Die gegenwärtige gesetzliche Notwendigkeit, für eine Rehabilitation (“dass man kein Kriegsverbrecher sei”) ein separates Ansuchen stellen zu müssen, erweckt unter unseren Landsleuten den Eindruck, man stehe immer noch unter dem Verdikt, eine “kriminelle Minderheit” zu sein. Es gehört aber zu unserer europäischen Rechtskultur, dass niemand als schuldig gilt, bevor nicht Beweise für seine Schuld vorliegen.

Der serbische Staat hat dankenswerter Weise gesetzliche Voraussetzungen erbracht, wonach die Restitution bzw. die Entschädigung der seinerzeit beschlagnahmten privaten und öffentlichen Vermögen, möglich wird. Helfen Sie mit, dass die Ansuchen zügig und schneller als bisher abgewickelt werden.

Sprechen Sie – so unser Hauptanliegen – im Namen des serbischen Volkes eine Entschuldigung für die an den Donauschwaben begangenen Verbrechen aus. Uns ist bewusst, dass die heutige Politik in Europa sich scheut, einem Volk, das der EU beitreten möchte, das Einbekenntnis zuzumuten, seine Väter und Vorväter hätten an einer auf ihrem Gebiet lebenden autochthonen Minderheit einen Völkermord verübt. Die Politiker der EU werden uns Donauschwaben bei der Artikulierung dieses Faktums keine Hilfe sein. Es läge also an Ihnen, hier den Mut aufzubringen, die Wahrheit öffentlich zu artikulieren und uns entgegenzukommen.

Wir könnten uns denken, dass sich eine Delegation der nationalen Verbände der Donauschwaben mit Ihnen zu einem offiziellen Gedenkakt an einem der Mahnmale der Donauschwaben in der Vojvodina trifft. Zu denken wäre da an Knićanin/Rudolfsgnad oder an Gakovo/Gakowa oder auch an Sremska Mitrovica. Kommen Sie in der gleichen Absicht, in der Sie nach Bosnien gefahren sind, an eine dieser Gedenkstätten, um diesen Akt der Entschuldigung zu vollziehen und damit die Versöhnung mit uns voranzubringen. Sie würden Ihr Land im internationalen Ansehen von einer schweren Hypothek befreien. Reichen wir uns über die Massengräber hinweg die Hand!

Wir haben mit unserem Herrn Landeshauptmann, Dr. Josef Pühringer, einen Politiker an unserer Seite, der nicht müde wird, unseren Anteil an der kulturellen und wirtschaftlichen Leistung des Landes Oberösterreich hervorzuheben. So wie wir, kann auch er sich nicht damit abfinden, dass zwar auf persönlicher und zivilgesellschaftlicher Ebene schon viele Beziehungen gedeihen, auf oberster politischer Ebene aber praktisch ein Stillstand bezüglich Annäherung und Aufarbeitung der Vergangenheit eingetreten ist. Daher hat er auch bei Herrn Sebastian Kurz, Minister für Integration und Auswärtige Angelegenheiten, in unseren Anliegen interveniert.

Die Landsmannschaft der Donauschwaben in Oberösterreich hat bekanntlich auch durch den Aufruf an alle Mitglieder, anlässlich des Hochwassers an der Sawe humanitäre Hilfe zu leisten, ihre Verbundenheit mit der alten Heimat unter Beweis gestellt.

Es war uns ein Herzensanliegen, dies in aller Öffentlichkeit an Sie heranzutragen.

Für die Landsmannschaft der Donauschwaben in Oberösterreich

Kons. Ing. Anton Ellmer
Landesobmann

Dr. Georg Wildmann
1. Stellvertreter

Bgm. Paul Mahr
2. Stellvertreter

Josef Springer
3. design. Stellvertreter

2015-08-30