Donauschwäbische Theatergruppe aus Brasilien auf Tournee

Rund 2000 Donauschwaben leben in der brasilianischen Siedlung Entre Rios. Unter der Koordination der Donauschwäbisch-Brasilianischen Kulturstiftung sind im dortigen Kulturzentrum “Mathias Leh” alle Instrumental-, Tanz-, Chor- und auch die Theatergruppe zusammengefasst. Ebenso strahlt hier der Radiosender täglich zwei Mal die Deutschen Stunden aus. Entre Rios liegt im Bundesstaat Parana - zur ganz groben Einordnung: zwischen Rio de Janeiro und Porto Alegre.
Die donauschwäbische Theatergruppe “Thomas Schwarz” weilte nun für mehrere Auftritte in Wien, Linz sowie einigen Orten in Deutschland. Mit dieser Tournee ging ein lang gehegter Traum der Theatergruppe, die in Brasilien mit ihren Vorstellungen auf Hochdeutsch sowie im donauschwäbischen Dialekt zum Erhalt der deutschen Sprache beiträgt, in Erfüllung.
Die Vorsitzende der Donauschwäbisch-Brasilianischen Kulturstiftung, Maria Dolores Schneiders, hielt vor jeder Aufführung unten angehängte Ansprache, in welcher die Geschichte der donauschwäbischen Siedlung Entre Rios in den Mittelpunkt gerückt wurde.

Mehr über die Donauschwaben in Brasilien unter: www.agraria.com.br

Theatergruppe Thomas Schwarz, Entre Rios

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, Zuschauer, Donauschwaben,
es ist immer schön – und tut von Herzen gut, wenn wir Donauschwaben aus Entre Rios unsere Landsleute in Deutschland und Österreich besuchen dürfen. Darum sage ich Ihnen jetzt im Namen unserer Theatergruppe guten Tag und ein ganz herzliches Grüß Gott.
Einige von Ihnen hatten ja schon die Gelegenheit, unsere Heimat im fernen Brasilien zu besuchen und all denen unter Ihnen, die Entre Rios nur vom Hören-Sagen her kennen, möchte ich nun erzählen, wie wir leben, was wir tun, wie unser ganz normaler Alltag aussieht.
Wie Sie vielleicht wissen, traten vor knapp 60 Jahren unsere Omas und Opas die Schiffsreise in ein unbekanntes Land an, kamen zwischen 1951 und 1952 nach Entre Rios in ein weites, leicht hügeliges, fast menschenleeres Gebiet ohne jegliche Infrastruktur auf über 1000 m Höhe. Da gab es weder Straßen, Häuser oder elektrisches Licht, die nächste Stadt lag rund 20 km entfernt und hatte gerade einmal 4000 Einwohner. In Gemeinschaftsarbeit entstanden in den fünf Dörfern von Entre Rios Siedler-Häuser, Kirchen und Schulen und das Genossenschaftsgebäude der Agrária.
Es ist viel geschehen in Entre Rios, wir leben in einer schönen Siedlung, mit gepflegten Häusern und Gärten, haben unser Einkommen in eigenen landwirtschaftlichen Betrieben, in der Genossenschaft selbst oder in einem der angeschlossenen Betriebe. Unsere Kinder besuchen die donauschwäbische Privatschule, die bis zur Hochschulreife führt und studieren an Universitäten in Guarapuava oder Curitiba.
In unseren Dörfern gibt es mittlerweile Supermärkte, Apotheken, Banken, Gasthäuser, Geschäfte, Tankstellen, Pensionen und ein eigenes Krankenhaus.
Insgesamt leben rund 2000 Donauschwaben in Entre Rios und etwa 8000 brasilianische Mitbürger, die alle mehr oder weniger der Landwirtschaft ihre Existenz verdanken. Die Hauptstadt Curitiba unseres Bundeslandes Paraná liegt knapp 4 Autostunden entfernt.
Die Entwicklung der Donauschwabensiedlung Entre Rios ist inzwischen so positiv, dass von hier aus wichtige Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region von Guarapuava ausgehen.
Entscheidend dafür war jedoch die Arbeit der Genossenschaft Agrária, die den Bauern in all den Jahrzehnten zur Seite stand und für den wirtschaftlichen Erfolg die Grundlage mit Ernteübernahmestationen und Vermarktung legte. Der Ackerbau war von Anfang an der bestimmende Wirtschaftszweig für Entre Rios. Es begann mit dem Bergreis, mit dem die Steppe erschlossen und für den Weizenanbau ertragreich gemacht wurde.
Die Bauern, als Mitglieder der Genossenschaft, bewirtschaften heute 110 000 ha Land mit Weizen und Gerste als Winterkulturen und Mais und Soja im Sommer.
Seit dem Beginn ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten bemüht sich die Genossenschaft Agrária, Industrien zur Verarbeitung der Agrarproduktion der Mitglieder zu errichten.
Diese Industriebetriebe garantieren heute den Absatz für einen Teil der Produktion der Mitglieder, erhöhen den Wert dieser Produktion durch Verwandlung in Konsumgüter, schaffen Arbeitsplätze und tragen zum Steueraufkommen bei.
Unter den Agrária-Industrien gehört die Mälzerei Agromalte zu den bedeutendsten in ganz Lateinamerika. Rund 20 Prozent des in den brasilianischen Brauereien verbrauchten Malzes trägt die Marke Agromalte.
Auch die Weizenmühle der Agrária, die die Verarbeitung des von den Mitgliedern geernteten Weizen durchführt, erhielt als erste in Brasilien das internationale Zertifikat des Systems für Überwachung der Sicherheit von Nahrungsmitteln (HACCP) und wurde durch die ISO 22000 ersetzt.
In der Futtermittelfabrik der Agrária, werden Abfallprodukte aus den anderen Körner verarbeitenden Industrien der Agraria sowie Getreide milderer Qualität zu hochwertigem Kraftfutter verarbeitet, wodurch diese Produkte Verwendung finden.
Auch in der Ölindustrie der Agrária werden Sojaöl und Sojakleie in pelletisierter oder gemahlener Form produziert.
Im Rahmen der Siedlung bestehen auch viele Gewerbebetriebe, die der Genossenschaft zur Verfügung stehen. Versuchstätigkeit und Forschungen wurden zielstrebig vorangetrieben und führten zu Erkenntnissen, die die landwirtschaftliche Produktion erfolgreich werden ließ. Auch die Forstwirtschaft ist Teil der “Agrária”.
Die Genossenschaft Agrária zählt zurzeit ca. 550 Mitglieder, die jahrzehntelang durch eine freiwillige interne Abgabe die Kosten für Strom, Wasser, Straßenbau, Schule und Krankenhaus in Entre Rios mitgetragen haben, weil staatliche oder kommunale Mittel weder vom Bundesland Paraná noch von der Präfektur Guarapuava zu bekommen waren. So verdanken die fünf donauschwäbischen Dörfer in Entre Rios ihre kontinuierliche Entwicklung vor allem der Eigeninitiative der Siedler selbst.

Die Genossenschaft Agrária investiert Jahr für Jahr bedeutende Summen in das gemeindeeigene Schulwesen und den Kindergarten, in die landwirtschaftliche Versuchsstation FAPA, in das Krankenhaus Semmelweis und in die Kulturstiftung zur Pflege und Bewahrung der deutschen Sprache und der donauschwäbischen Traditionen. Außerdem unterstützt sie mit gezielten Maßnahmen soziale Programme und Projekte, die der ärmeren Bevölkerung im Bezirk Entre Rios zu Gute kommen.
So sind das Schulwesen, der Medienbereich, das Sozialwesen, das Kulturelle und Religiöse wichtige Bestandteile des gemeinsamen Lebens. Es gibt Chöre, Tanzgruppen, Blas- und Tanzkapellen und eine recht erfolgreiche Theatergruppe. Alle kulturellen Gruppen sind heute der Donauschwäbisch-Brasilianischen Kulturstiftung angeschlossen, die im Kulturzentrum “Mathias Leh” insgesamt 22 Kulturgruppen organisatorisch betreut.

Auch wenn wir und unsere Kinder heute Brasilianer sind und Portugiesisch unsere Pflichtsprache ist, so haben wir uns doch alle den donauschwäbischen Dialekt bewahrt, pflegen ihn als besonderes Kulturgut. Die Sprache und Traditionen sind es ja, die uns vor allem mit Ihnen über Meere, Kontinente und Grenzen hinweg verbinden. Verstehen Sie also, warum wir immer wieder mit unseren Gruppen zu Ihnen kommen? Wir gehören wie Sie zur donauschwäbischen Familie, mit den gleichen Wurzeln. Hier fühlen wir uns also wie “dahoam”- und so soll es bleiben- habe ich recht?
An dieser Stelle darf ich mich nun herzlich bedanken für die freundliche Aufnahme. Mein Dank geht an Sie als Gastgeber und an die Vereine. Vergelt´s Gott und besucht uns auch- recht bald!
Vielen Dank

2010-07-25