Tagungsbericht (II): Bad Radkersburg vom 21. bis 23. März 2012

“Verschwinden” der deutschsprachigen Minderheiten – Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941 – 1955

Von Stefan P. Teppert, M. A.

Ein schwieriges, historisch in besonderer Weise belastetes, noch viel zu wenig aufgearbeitetes Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens von 1941 bis 1955 hatte sich eine Tagung vom 21. bis 23. März 2012 ins Programm geschrieben: das Verschwinden der deutschsprachigen Minderheiten aus dem Land der Südslawen. Bad Radkersburg in der Steiermark, direkt an der Grenze zu Slowenien am Ufer der Mur und damit an der Demarkationslinie vormals verfeindeter Welten gelegen, war dafür ein denkbar geeigneter Ort. Im Congresszentrum “Zehnerhaus” waren nicht nur atmosphärisch, sondern auch räumlich und technisch die optimalen Voraussetzungen für ein internationales Treffen gegeben – bis hin zur Simultanverdolmetschung. Denn wer nicht problemlos den Ausführungen in deutscher oder serbischer bzw. kroatischer Sprache folgen konnte, musste den Kopfhörer zu Hilfe nehmen. Ziel der Veranstaltung war es, den aktuellen Stand der Forschung zu präsentieren und nach gemeinsamen Ansätzen einer Bewertung zu fragen. Das Tabu, mit dem das kommunistische Jugoslawien das Thema seiner deutschen Minderheiten belegt hatte, wirkt zwar bis heute nach, jedoch sind seit mehr als 20 Jahren auch unübersehbare Fortschritte in Aufklärung und Annäherung gemacht worden. Flucht, Vertreibung, Deportation, Internierung und Auslöschung der Deutschen Jugoslawiens nach dem Zweiten Weltkrieg sind nach langen Jahren des Schweigens mittlerweile ein viel beachtetes Thema und können heute aus europäischer Perspektive erforscht werden.

Federführend organisiert wurde die Tagung von der “Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung” in Berlin und dem “Donauschwäbischen Zentralmuseum” in Ulm. Als Kooperationspartner beteiligt waren das “Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde” in Tübingen, das “Deutsche Historische Museum” in Berlin, das “Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgen-Forschung” in Graz, das “Museum der Vojvodina” in Novi Sad, das “Kroatische Institut für Geschichte” in Zagreb sowie das “Institut für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte” der Universität Graz.

Ausstellungskuratorin Rosmarie Beier-de Haan dankte den Organisatoren der Tagung und begrüßte die ca. 120 Teilnehmer im Namen des Deutschen Historischen Museum in Berlin. Unsere Geschichte sei immer auch die Geschichte unserer Nachbarn, betonte sie. Geschichte lasse sich nicht isoliert betrachten, könne aber zu einer Gefahr werden, zu Sprach- und Kontaktlosigkeit führen, wenn nicht die Bereitschaft zum Dialog aus einseitigen Nationalismen herausführe. Analyse wie Darstellung von Geschichte müsse stets von Methodik, Multiperspektivität und transnationalen Ansätzen geleitet sein. In diesem Sinn wünschte sie den Teilnehmern eine weiterführende, inspirierende Tagung.

Stefan Karner als Gründer und Leiter des Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung an der Universität Graz wies einleitend auf die besondere Lage von Bad Radkersburg hin. Die Stadt liege im Schnittpunkt dreier Kulturkreise, sei Symbol einer aufgezwungenen Grenze gewesen und sei heute Symbol des Brückenschlags und europäischen Zusammenwachsens. Karner gab zu bedenken, dass Flucht und Vertreibung nicht ohne die Vorgeschichte zu betrachten und zu bewerten seien, trotz vielfachen Unrechts gebe es weder eine kollektive Schuld noch eine kollektive Unschuld. Vieles am Themenkomplex sei auch schon aufgearbeitet und trage Früchte.

Das ausgewogen gestaltete dreitägige Programm der Tagung war in vier chronologisch angeordnete, von den Kooperationspartnern abwechselnd moderierte Vortrags-Sektionen sowie eine Filmvorführung und ein Podiumsgespräch untergliedert.

Sektion I: “Deutsche in Jugoslawien nach 1918: Minderheiten und Mehrheiten”

Moderation: Christian Glass (Ulm)

Günter Schödl – seit 1992 Lehrstuhlinhaber für die Geschichte Ostmitteleuropas an der Berliner Humboldt-Universität – stellte seine Betrachtungen unter die leitende Hypothese, der Historiker vergebe sich interpretative Chancen, wenn er nicht weiter als bis zum Zweiten Weltkrieg zurückblicke. Von diesem viele Fragen offen lassenden Manko sei etwa die Berliner Ausstellung “Erzwungene Wege” gekennzeichnet. Erst die Betrachtung langfristig entstandener struktureller Voraussetzungen ermögliche es, jenseits eines instrumentalisierten und suggestiv wirkenden Maßes an Eindeutigkeit die Entwicklungslogik südslawischer Staatsbildungen und damit die Vorstufen späterer Auswüchse in der Absolutsetzung des Nationalen zu verstehen. Bereits vor 1914 habe sich bei Serben, Kroaten und Ungarn zunehmend radikal eine irreversible Disposition zur egoistischen Expansion auf Kosten der Zusammenarbeit mit den Minderheiten herausgebildet. Diese Wendung sei zwar nicht alternativlos gewesen, habe sich aber konsequent zu einem feindlichen, paranoid-aggressiven Klima gegenüber der Habsburger Monarchie und allem Deutschen mit seinen bedrohlich erscheinenden Großmachtinteressen ausgewachsen. Man brauchte eine als Gegenbild der slawischen bzw. magyarischen Selbstbejahung inszenierte Minderheit, um sich abzureagieren und ersetzte Wandel und Entwicklung durch Radikalisierung. Im Gegenzug habe sich die deutsche Minderheit – wie in Ungarn mit Edmund Steinacker – zusammenzufinden und politisch zu organisieren versucht. Für Schödl wird so in langfristiger Rückschau eine Spirale der Gewalt erkennbar.

Der seit 1994 am Institut für neuere Geschichte Serbiens in Belgrad tätige Historiker Zoran Janjetović befasste sich mit der “Jugoslawischen Minderheitenpolitik in der Zeit zwischen den Weltkriegen”. Die Gründung des jugoslawischen Staates 1918 sei ein Triumph der Serben, Kroaten und Slowenen gewesen, die mit anderen Minderheiten nicht als mit Gleichberechtigten umgingen. Die Serben hätten vergessen, dass auch sie aus ihrer Ansiedlung Vorteile genossen hatten. Die Frage der Minderheitenrechte sei im SHS-Staat unterdrückt worden, bis 1922 hatten die Minoritäten kein Wahlrecht, obwohl sie Steuern zahlen mussten. Auch der Einfluss der katholischen Kirche wurde zurückgedrängt, statt dessen eröffnete man Schulen für Südslawen. Die Deutschen hätten durch ihre Bildung, Zeitungen, Schulen, die Zahl ihrer Wähler und ein starkes Mutterland im Hintergrund ab 1920 mit dem Kulturbund als Dach eine vergleichsweise durchsetzungsfähige Organisation gehabt, dennoch wurden ihre Banken zerschlagen und nationalisiert, Großgrundbesitzer bei der Agrarreform ab 1919 enteignet. Jugoslawische Machthaber seien, schloss Janjetović, nur auf Druck von außen bereit gewesen, ihre assimilatorische Politik aufzugeben, Zugeständnisse wurden nicht aus Überzeugung, sondern um wirtschaftlicher Vorteile willen gemacht. Ihnen habe das Bewußtsein gefehlt, dass sie den Staat durch ihre restriktive Minderheitenpolitik schwächten.

Carl Bethke, seit 2012 Junior-Professor an der Universität Tübingen, stellte die Frage, wie es zur Nationalisierung der deutschen Minderheit und zur Hinwendung der Donauschwaben in Jugoslawien zum Nationalsozialismus kam. Während die deutschen Einwanderer im 19. Jahrhundert eine ungarische oder kroatische Identität anzunehmen pflegten, um gesellschaftlich aufzusteigen, begannen sich deutschnationale Bestrebungen ab ca. 1900 erst langsam zu verbreiten. Im jugoslawischen Staat ab 1918 änderte sich dies. Den Volksdeutschen standen Kroaten und Ungarn zwar näher als die Serben, doch kam es im politischen Alltag auf die letzteren an. Die Donauschwaben respektierten deren Staat, der ihnen ideologisch jedoch fremd blieb. Für sie lag es unhinterfragt nahe, sich an Deutschland zu orientieren, so konnten sie die Dignität der Vorväter und moderne Entwicklungen vereinen. Gegen den Widerstand der Katholiken und des Kulturbundes konnten sich ab 1933 die radikalen Erneuerer mit Unterstützung aus dem Dritten Reich durchsetzen und die Führung im Kulturbund übernehmen, so dass 1940 schließlich die meisten Schwaben politisch erfasst und ideologisch indoktriniert waren. Umgekehrt subventionierte das Deutsche Reich mit seiner hegemonialen Position das vom Schwäbisch-deutschen Kulturbund aufgebaute Netzwerk mit Publikationen, Partei und Genossenschaften. Mit Kopf und Herz seien die Volksdeutschen schon im Mutterland gewesen, wohin sie bald grausam vertrieben werden sollten. Bethkes Fazit: Das Beispiel der Donauschwaben zeigt, wie wandelbar und situativ ihre Identität von den jeweiligen politischen und sozialen Bedingungen abhing.

In der Diskussion über die drei Vorträge legte Helmut Erwert (Weißkirchen/Bogen) Wert darauf, nicht mit Pauschalisierungen zu arbeiten, sondern das Verhalten der Donauschwaben möglichst differenziert zu betrachten. Er stellte die Frage, ob es wirklich verdammenswert sei, wenn eine Minderheit unter Anpassungsdruck versuche, ihre Identität herauszubilden und zu behaupten. Günter Schödl stellte klar, dass es ihm ohne Werturteil um den funktionalen Kontext der konkurrierenden Formen von Nationalbewusstsein gehe. Wenn zwischen 1840 und 1950 etwa 700.000 Deutsche magyarisiert wurden, sei zunächst nach Gründen und Nutzeffekten zu fragen. Am ehesten weise der Weg über die Verwissenschaftlichung zur Verständigung.

Am Abend kam eine Kurzfassung des Films “Podunavske Švabe/Donauschwaben” des 33-jährigen, aus Zrenjanin in der Vojvodina stammenden Regisseurs Marko Cvejić zur Vorführung. Er thematisiert in aufwühlender Weise die kollektiv verfolgte deutsche Minderheit Jugoslawiens, die Verbrechen an unschuldigen deutschen Zivilisten zwischen 1944 und 1948 und die bis heute anhaltende Politik ihrer Verschleierung. Cvejić möchte mit einer in der Gegenwart spielenden Rahmenhandlung und geschichtlicher Aufklärungsarbeit den zerstörerischen Einfluss der manipulativen chauvinistischen Politik bekämpfen und einen positiven Beitrag zum Zusammenleben der Völker in der Vojvodina leisten. Die Uraufführung fand am 7. Dezember 2011 vor 300 Zuschauern in Belgrad statt und löste erregte Diskussionen aus. Dass keine Regierungsvertreter im Publikum waren, bezeugt einmal mehr den Unwillen Serbiens, sich diesem dunklen Kapitel seiner Vergangenheit zu stellen. Zweifellos wird dieser Film jedoch weiterhin Spuren hinterlassen und Fragen aufwerfen, wenn er im Frühjahr 2012 seine Tour durch einige Städte der Vojvodina, Österreichs und Deutschlands absolviert.

Der 1969 in Stuttgart geborene, heute in Köln lebende Dokumentarfilmer Thomas Dapper beschäftigt sich mit der gemeinsamen Kulturgeschichte der Ethnien im Banat. Sein Dokumentarfilm “Wege nach Mramorak. Chronik einer Vertreibung” begibt sich auf die Suche nach den Gründen für Internierung, Vertreibung und Vernichtung von Menschen zwischen 1941 und 1948. Verschiedene Wege zum Verständnis erschließen unterschiedliche Wahrheiten und Erklärungsansätze. Im Kleinen geschehen ähnliche Taten wie im Großen. Der Fokus richtet sich auf Mramorak und die dortigen Ereignisse, die ohne Bezug zu den damaligen Entwicklungen kaum zu verstehen sind. Im Film erzählen in aufschlußreichen Interviews Deutsche, Serben und Juden ihre Geschichte. In Bawanischte wurden am 20. Oktober 1944 nach einwöchiger Folter 110 deutsche Männer erschossen. Ein Mramoraker Deutscher stellt zwischen diesem Verbrechen und seiner Tatbeteiligung den Zusammenhang her. Unter den später in Titos Lagern internierten Deutschen waren Täter und Schuldige kaum zu finden, dennoch mussten sie für Hitlers Verbrechen büßen. Eine eindeutige Antwort auf die Schuldfrage und die Versöhnung hält der noch nicht fertiggestellte Film nicht bereit, Gewichtungen werden allenfalls durch Szenenfolgen und Schnitt nahegelegt.

Sektion II: “Das Dritte Reich, NS-Besatzungspolitik und Holocaust”

Moderation: Carl Bethke (Tübingen)

Thomas Casagrande – seit 2011 Studienrat an der Frankfurter Goethe-Universität im Fachbereich Soziologie – referierte über “Die volksdeutsche SS-Division ‚Prinz Eugen’ und die nationalsozialistische Aufstandsbekämpfung in Jugoslawien 1941-1944”. Die Prinz-Eugen-Division sei die erste SS-Division der Volksdeutschen mit äußerst begrenztem, heimatnahem Einsatzgebiet, daher nie kriegsentscheidend gewesen, vielmehr habe ihre Mobilisierung zur Partisanenbekämpfung den Abzug fronttauglicher Wehrmachtdivisionen an die Ostfront ermöglicht. 85 Prozent ihrer Mitglieder kamen, so Casagrande, aus donauschwäbischen Gebieten (53,6 % Banat, 21 % Rumänien, 11 % Kroatien), sowohl freiwillig wie auch zwangsrekrutiert. Bei den Partisanen habe dagegen nur eine kleine Gruppe von Volksdeutschen gekämpft. Brutale Kriegsführung, Geiselerschießungen von Zivilisten, verbrannte Dörfer, Sühnemaßnahmen auch an Frauen und Kindern seien der ‚Prinz Eugen’ anzulasten, Kommandeur Arthur Phleps hätte sie sogar im Voraus geplant, doch unterschieden sich solche Grausamkeiten nicht wesentlich von denen anderer kriegführender Parteien wie etwa der Tschetniks. Die Division sei der radikale Ausdruck für die Identifikation der Volksdeutschen mit dem Dritten Reich gewesen, in der Hoffnung, sich bei einem Sieg unter den benachbarten Bevölkerungsgruppen den Vorrang zu sichern. Dafür habe die deutsche Bevölkerung einen hohen Preis bezahlt: den Verlust ihrer Existenzberechtigung in Jugoslawien. Bei der Abrechnung mit den Faschisten sei durch eine Fülle von Racheakten allerdings auf der Gegenseite neues Unrecht entstanden, schloss Casagrande seine Ausführungen mit nüchternem Blick, der nicht durch Empathie mit den Betroffenen ersetzt werden könne.

Milan Koljanin vom Institut für Zeitgeschichte in Belgrad befasst sich mit Antisemitismus und Holocaust in Jugoslawien und Serbien in Ideologie und Praxis. Die von den Nazis betriebene “Endlösung der Judenfrage” im besetzten Serbien habe, so Koljanin, ab Juni 1941 durch den Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion und den erstarkenden Massenaufstand gegen die Besatzer neue Dynamik erhalten. Juden wurden enteignet, zur Zwangsarbeit herangezogen, zur Bestätigung der eigenen Überlegenheit erniedrigt, mit Folter bedroht und getötet als angeblich gerechte Strafe. Auch Volksdeutsche seien an der Plünderung ihres Eigentums sowie bei der erbarmungslosen Niederschlagung von Widerstand beteiligt und als Kommissare eingesetzt gewesen. Das Banat war unter Kontrolle der deutschen Minderheit. Die Unzufriedenheit der serbischen Bevölkerung mit den Besatzern sollte unter Beteiligung der serbischen Regierung mittels antisemitischer Propaganda auf die Juden gelenkt werden, sie wurden als gierige Kapitalisten und ausbeuterische Herren über die serbische Wirtschaft diffamiert. (Der Referent zeigte Fotos von Propaganda-Postern in kyrillischer Schrift und von einem zur mobilen Vergasung gebauten Lastwagen.) Doch statt den Widerstand dadurch zu brechen, habe sich die serbische Bevölkerung mit ihren jüdischen Mitbürgern solidarisiert. Dazu habe auch eine kriegsrechtlich ungedeckte, im Oktober 1941 durchgeführte “Geiselerschießungsaktion” (2.100 Personen, vornehmlich Juden und Kommunisten aus den Lagern in Belgrad und Šabac) beigetragen. Koljanin plädierte dafür, das Vorgehen der Nazis nicht allein unter dem ideologischen Aspekt der “Endlösung” zu betrachten, sondern dabei auch einen traditionellen deutschen Antislawismus und ein spezielles antiserbisches Ressentiment zu berücksichtigen.

In der Diskussion über die beiden Vorträge bescheinigte Peter Binzberger (Kikinda/Fried-richshafen) der Dissertation von Casagrande enormen Fleiß, warf ihr aber fehlende Tiefe und Sensibilität für das multikulturelle Zusammenleben vor. Sein eigener Vater habe bei der Wehrmacht gegen die Verfolgung der Juden protestiert. Helmut Erwert zeigte sich von Casagrandes pauschalierender Argumentation wie auch von seinem suggestiv einseitigen Buchtitel befremdet, es müssten die großen Unterschiede bei den Volksdeutschen mittels einer Geschichtsbetrachtung von unten stärker hervorgehoben werden. Thomas Casagrande erwiderte, er vermisse konkrete Kritik, die Vorwürfe seien sehr persönlich. Individuelle Ausnahmen widersprächen nicht der erdrückenden Beweislage, dass in der “Prinz Eugen” zigtausendfach gemordet wurde. Als Südtiroler und Sohn eines SS-Offiziers habe er Berichte von deutschen Opfern immer mit einem Rest an Zweifel aufgenommen, schäme sich aber heute dafür. Auf die hypothetische Frage, ob die Vertreibung der Deutschen unterblieben wäre, hätte es die Prinz-Eugen-Division nicht, statt dessen aber eine nennenswerte deutsche Partisanenbewegung gegeben, antwortete er spekulativ: Die Vertreibung wäre wohl nicht unterblieben, aber vielleicht milder ausgefallen. Zoran Janjetović fragte, warum die Prinz-Eugen-Division von Partisanen und Kommunisten so gehasst wurde, und antwortete selbst: weil ihre Mitglieder Einheimische waren. An Milan Koljanin stellte er die Frage, ob es Beweise für die Beteiligung der Banater Schwaben an der Judenverfolgung gebe, die dieser verneinen musste. Stefan Barth (Futok/Erlangen) wies bezüglich Koljanins Vortrag darauf hin, dass nicht ausschließlich die deutschen Besatzer und zweifellos auch einige Donauschwaben, sondern gleichermaßen die serbische Regierung unter Premierminister Milan Nedić und die serbische Polizei gegen die Juden vorgingen. Es sei bekannt, dass der Antisemitismus bereits vor der Okkupation Jugoslawiens in der serbisch-orthodoxen Kirche sowie der serbischen Bevölkerung verbreitet war, deshalb habe die Vernichtung der Juden durch den deutschen “Sicherheitsdienst” auf fruchtbaren Boden fallen und Serbien zum ersten “judenfreien” Land in Europa deklariert werden können. Milan Koljanin gab zu, dass ihm diese Rolle der Kirche neu sei, unbekannt sei ihm auch der Anteil der Serben bei Plünderungen, zweifellos habe aber die serbische Quislingsregierung ihren Anteil an der Judenverfolgung.

Sektion III: “Das ‚Verschwinden’ der deutschsprachigen Minderheiten: Vertreibung, Deportation, Internierung”

Moderation: Zoran Janjetović (Belgrad), Günter Schödl (Berlin)

Mitja Ferenc aus Ljubljana – 2004 bis 2008 an der Spitze der Vereinigung historischer Gesellschaften in Slowenien – beschäftigte sich mit dem Schicksal der deutschen Minderheit in seinem Land. Nach Volkszählungen benutzten 1931 auf slowenischem Gebiet 28.998 Personen Deutsch als Muttersprache (entspricht ca. 8 Prozent des Anteils im ehemaligen Jugoslawien), 2002 waren es nur noch 963. Zusammen mit der Besatzungsarmee verließen die kollektiv als Kollaborateure verdächtigten Deutschen das Land. Die Gebliebenen wurden von der politischen Polizei (OZNA) in Lagern interniert. Es folgte eine umfassende Säuberung durch Liquidationen meist ohne Gerichtsverfahren, Deportationen in die Sowjetunion und (teilweise geheime) Abschiebungen über acht Grenzübergänge aller derjenigen, denen man keine Schuld nachweisen konnte. Viele erfroren oder verhungerten in den Zügen. Wie im übrigen Jugoslawien habe man ungeprüft die Kollektivschuld aller Deutschen vorausgesetzt und flächendeckend die AVNOJ-Gesetze angewandt. Doch begann die Masseninhaftierung in Slowenien erst am 27. Juli 1945, während die Lager dort bereits 1945 abgeschafft wurden. Der Wert der enteigneten Güter, so Ferenc, sei mangels Quellen nie ausgerechnet worden, bis Ende 1945 seien aber 20.293 Enteignungsbescheide ausgestellt worden. Auch die Zahl der Getöteten und Vertriebenen könne nur ungefähr geschätzt werden. Die OZNA registrierte 9.474 deportierte Deutsche, zusätzlich 2.004 Personen mit unvollständigen Akten. In Slowenien gebe es über 600 versteckte Massengräber. Von einst 176 Dörfern in der Gottschee seien 100 verfallen und überwachsen. Inzwischen habe Slowenien die deutsche Minderheit anerkannt, eine Restitution werde angestrebt, jedoch hätten Volksdeutsche keine Möglichkeit, ihr ehemaliges Eigentum zurückzuerhalten. Michael Portmann aus Wien – seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Historischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften – behandelte das Thema: “Die donauschwäbische Bevölkerung in der Vojvodina: Flucht, Internierung und Aussiedlungspolitik (1944-1949)”. Das meiste, was darüber bekannt ist, stamme aus der donauschwäbischen Erinnerungsliteratur. Akten in Serbien seien entweder nicht vorhanden oder würden vom Innenministerium in Belgrad nicht herausgegeben. Ein klarer Befehl aus Politbüro oder Partei zur Internierung der deutschsprachigen Bevölkerung lag, so Portmann, offenbar nicht vor, nachvollziehbar sei aber, dass bis Sommer 1945 ca. 120.000 Personen in 80 Lagern konzentriert waren. In der Vojvodina allein waren es 110.600 Inhaftierte, die Arbeitsfähigen kamen getrennt in Arbeits-, Alte und Kinder in Hunger- bzw. Vernichtungslager. Nach donauschwäbischen Quellen seien im Lauf von drei Jahren bis 1948 ein Drittel bzw. 55.000 Personen an Entkräftung, Krankheiten und Misshandlungen gestorben. Warum das Schicksal der Deutschen Jugoslawiens auf der Potsdamer Konferenz nicht verhandelt wurde, sei bis heute eine ungeklärte Frage. Nach einer Periode der geduldeten Flucht aus den Lagern bis Ende 1947 verpflichtete man die Überlebenden zur Zwangsarbeit. Obwohl man ihnen die Staatsbürgerschaft gar nicht entzogen hatte, konnten die Volksdeutschen ab 1949 sie erneut beantragen. Die AVNOJ-Beschlüsse, entwarnte Portmann, hätten niemals Gesetzeskraft erlangt und seien deshalb für die weitere Diskussion irrelevant. Zu den wichtigsten Aufgaben des Historikers gehöre es, mit nationalen Zuschreibungen besonnen umzugehen, dies sei auch der Schlüssel für eine Versöhnung zwischen den Nationen.

Vladimir Geiger – seit 1993 am Kroatischen Institut für Geschichte in Zagreb angestellt – begann schon vor 25 Jahren – als es noch unbequem war –, über das Schicksal der Deutschen in Kroatien und die an ihnen begangenen Verbrechen zu forschen und zu publizieren. Heute gilt er als führender Experte auf diesem Gebiet. Kriegsverbrechen von Volksdeutschen, sagte er, hätten den Partisanen als Rechtfertigung für ihre unmenschlichen Säuberungen gedient. Um Vertreibung und Internierung einen legitimen Anstrich zu geben, seien eigens Gesetze bzw. genozidale Beschlüsse, erlassen worden. Mit der vollständigen Ausweisung der deutschen Minorität wollte die jugoslawische Regierung unter Wahrung ihres eigenen Ansehens eine “dauerhaft befriedigende Lösung” herbeiführen, auch ihre Rückkehr sollte verhindert werden. Die als vorübergehend geplante Internierung von bis zu 20.000 Menschen zog sich jedoch in die Länge und kostete 25 Prozent der Insassen das Leben. Die größten Lager in Kroatien waren Josipovac bei Osijek, Valpovo, Velika Pisanica bei Bjelovar, Krndija bei Đakovo, Šipovac bei Našice, Pusta Podunavlje in der Baranya und Tenja/Tenjska Mitnica bei Osijek. Von 45.000 Kindern unter 14 Jahren seien weit über 5.000 gestorben. Liquidationen, willkürliche Morde und Misshandlungen habe es gegeben, sie seien aber nicht massenhaft aufgetreten. Im Mai 1946 habe das Innenministerium sogar eine Anweisung gegen Willkürakte erlassen. Trotz der widersprüchlichen Quellenlage werde es möglich sein, hofft Geiger, zuverlässigere Daten und Opferzahlen zu rekonstruieren, besonders anhand der relativ zuverlässigen Zeitzeugenliteratur. In der Diskussion zum vorhergehenden Block gab Zoran Janjetović bekannt, dass mittlerweile die Lagerbücher mit den Namenslisten der Todesopfer zugänglich sind und untersucht werden können. Günter Schödl bewertete den Vortrag von M. Ferenc als informativ, jedoch fehle die Perspektive von unten. Wie sich nämlich Donauschwaben an örtlichen Judenverfolgungen beteiligt hätten, so auch Teile der serbischen Bevölkerung. Ebenso habe sich die slowenische Bevölkerung an der gewaltsamen Aussiedlung der Deutschen beteiligt. Es sei eben nicht genug, Ursache und Folgen zu beachten, geklärt werden müsse auch, wie kollektive Denk- und Verhaltensmuster, die latent längst vorhanden waren, wirksam geworden sind. Hans Supritz (Palanka/Ulm) bedankte sich bei M. Ferenc, dass er die Lager ausdrücklich als KZs, und bei V. Geiger, dass er die AVNOJ-Beschlüsse unumwunden als “genozidal” bezeichnet hatte.

Sanja Petrović Todosijević aus Belgrad sprach über die Betreuung deutscher Waisenkinder in Jugoslawien in den Nachkriegsjahren 1946 bis 1952. Unter den vielen aufwühlenden Kapiteln dieser Tagung hat dieses mit am meisten erschüttert. Diejenigen Kinder, die das Massensterben in den Lagern überlebt hatten, wurden, so die Referentin, behördlich untersucht und klassifiziert. Viele der elternlosen Kleinen waren in einem schrecklichen Gesundheitszustand. Eine erste, nur deutschsprachige Gruppe aus Rudolfsgnad/Knićanin kam am 27. Juni 1946 in die Obhut des jugoslawischen Umerziehungsapparates. Nach einem Bericht von Slata Miller sei es das Ziel der Pädagogik oder vielmehr Indoktrination gewesen, sie zu Patrioten und glühenden Antifaschisten zu formen. Bald wurden ca. 1.400 Kinder mit genauen Vorsichtsmaßregeln auf alle jugoslawischen Republiken verteilt, dass sie keine Chance erhielten, eine dominante Gruppe zu bilden. Mit Geschichten über Tito, die glorreiche Sowjetunion und die Heldentaten der jugoslawischen Armee fütterte man ihre Bildsamkeit. Vorbedingung restloser Anpassung sei das Vergessen der Muttersprache gewesen. Negativ beurteilt, aber kaum kontrollierbar waren die Sehnsucht der traumatisierten Kinder nach Eltern und Heimat. Obwohl alle Kontakte unterbunden werden sollten, habe es Heiligenbilder in den Schränken, Briefe der Verwandten etwa mit Ostergrüßen gegeben. Strenge Auflagen – so vor allem die obligatorische Erziehung im Sinne Jugoslawiens – hätten es den Eltern nahezu unmöglich gemacht, ihre Kinder wieder zu bekommen.

Georg Wildmann (Filipowa/Linz) stellte die Entstehung der Dokumentation “Leidensweg der Donauschwaben” dar, an der er selbst maßgeblich beteiligt war. Der institutionelle Rahmen ihres Zustandekommens war die 1978 gegründete “Donauschwäbische Kulturstiftung” in München. Ihr an romantischen Volkstumsideen und Herder’schem Gedankengut orientierter Initiator Josef Volkmar Senz wurde zu Wildmanns Mentor und stieß in einem Akt zur Selbstfindung und -organisation historische Darstellungen im Sinne der Zusammengehörigkeit aller Donauschwaben und ihres Charakters als deutscher Neustamm an, die wissenschaftlich haltbar sein sollten. Mängel der Bonner “Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa” (1956-61) sollten behoben werden. 1989 wurde unter dem Leitspruch “Ohne Wissen regt sich kein Gewissen” der erste Band des “Leidenswegs” mit “Ortsberichten” begonnen (erschienen 1991). Es folgten “Erlebnisberichte” (1993), “Erschießungen – Vernichtungslager – Kinderschicksale” (1995) und “Menschenverluste – Namen und Zahlen” (1994). Fünfzig Jahre nach dem Verlust ihrer Heimat haben die Deutschen aus Jugoslawien in einem bis zu 20-köpfigen Arbeitskreis ihr Martyrium systematisch, in ehrlicher und gründlicher Arbeit nicht nur dargestellt, sondern auch zu erklären und zu deuten versucht. Damit verbunden ist die Forderung nach der Rehabilitierung der unschuldigen Opfer. Das monumentale Werk, dem wohl keine andere Vertriebenengruppe Vergleichbares zur Seite stellen kann, wurde Politikern, Bibliotheken und Instituten im In- und Ausland zur Verfügung gestellt. Eine komprimierte Taschenbuch-Version erreichte eine Auflage von 24.000 Exemplaren. Im Internet wurde, so Wildmann abschließend, das Werk 800.000 mal aufgerufen.

Matthias Beer – Stellvertretender Leiter und Geschäftsführer des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen – stellte eine vergleichende Betrachtung von Flucht und Vertreibung aus Südosteuropa an, um die jeweiligen regionalen und nationalen Entwicklungen auch in Jugoslawien angemessen beschreiben und analysieren zu können. Zunächst konstatierte er, dass sich die Vertreibungsvorgänge aus den Ostgebieten des Deutschen Reichs von der Zwangsmigration deutscher Minderheiten aus Südosteuropa bei allen Gemeinsamkeiten deutlich unterscheiden. Politisches Ziel aller Staaten Südosteuropas – Jugoslawiens, Rumäniens und Ungarns – sei bereits in der Zwischenkriegszeit die Herstellung eines ethnisch reinen Nationalstaats gewesen. Wirtschaftliche Maßnahmen gegen die deutschen Minderheiten bildeten damals den Auftakt für ethnische Säuberungen. Einen qualitativen Sprung für die Umsetzung von Ausweisungsplänen bedeutete der deutsche Angriffskrieg auf Jugoslawien. Während Rumänien nach der wirtschaftlichen und sozialen Revolution auf die Eliminierung seiner Deutschen verzichtete und Ungarn sie auf halbem Wege stoppte, habe Jugoslawien folgende Besonderheiten aufzuweisen: die nachträgliche Berufung auf das Potsdamer Abkommen, um seine deutsche Minderheit loswerden zu können; die Errichtung eines Netzes von Lagern; die mit Abstand höchste Todesrate (19 Prozent); das fast vollständige Verschwinden der deutschen Minderheit aus dem Land. Als Gründe für die jugoslawische Radikalität nannte Beer die herausgehobene Stellung des Kriegs sowie den Versuch, aus einem Flickenteppich einen modernen Staat zu machen. So habe es in Südosteuropa drei sehr unterschiedliche “Lösungen” gegeben.

In der Diskussion fragte Hans Supritz Frau S. Petrović Todosijević, ob sie sich auch auf donauschwäbische Quellen gestützt habe. Diese antwortete, sie habe ausschließlich bisher nicht ausgewertete Quellen in Belgrader und anderen Archiven benutzt. Zufällig sei sie auf eine Mappe mit Berichten einer Heimleiterin an das zuständige Ministerium gestoßen. Diese Quellen allein, gab sie zu, können kein echtes Bild der Situation ergeben. Man müsse untersuchen, wie das Verhältnis zwischen den Heimleitungen und den Kindern war, wie man kommunizierte. Manfred Kittel fragte M. Beer, ob der Begriff “Vernichtungskrieg” bei der Partisanenbekämpfung in Jugoslawien angemessen sei. Ulrike Futter wies darauf hin, dass sowohl Umsiedlungen wie auch Ausweisungen immer juristisch untermauert waren. Matthias Beer bezeichnete den Lausanner Vertrag als die Blaupause für zwischenstaatliche Transfer-Verträge. Die westlichen Alliierten seien als treibende Kraft für Umsiedlungen und wilde Vertreibungen anzusehen, nicht die Sowjetunion. Der Begriff “Vernichtungskrieg” sei tatsächlich für den Holocaust reserviert, ähnliche Pläne gab es für Südosteuropa offenbar nicht. Wenn man Jugoslawien – resümierte Beer – mit den anderen südosteuropäischen Staaten vergleicht, werden die Unterschiede deutlicher und die Fragen dringlicher.

Stefan Karner beleuchtete “Die deutschsprachige Minderheit in Slowenien 1938-2011”. Die gewaltsame Enteignung der deutschen Besitzungen und Vermögen, die Aberkennung der Bürgerrechte seien u. a. durch die AVNOJ-Beschlüsse vom 21.11.1944 und das Gesetz zum Agrarfonds vom 9.8.1945 abgedeckt gewesen. Opfer seien auch Angehörige anderer Nationen gewesen, vor allem Slowenen, wenn sie der Kollaboration verdächtig oder Besitzende waren. Jugoslawien habe US-Vorwürfe wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen schroff zurückgewiesen. Mit Schandmalen auf dem Rock seien alle verbliebenen Deutschen aus ihrer Heimat vertrieben worden. In Slowenien gab es vor dem Krieg 30.000 bis 60.000 Volksdeutsche, 1948 gaben sich noch 2.406 Personen als Deutsche bzw. Altösterreicher zu erkennen. Sie seien noch jahrzehntelang von der Schande gebrandmarkt gewesen. Bis heute hätten, so Karner, die Deutschen keine Anerkennung in der slowenischen Verfassung gefunden. Vielleicht könne die Lösung der Ortstafel-Frage in Kärnten zur Auflichtung der Atmosphäre beitragen. In der Nachkriegszeit seien die Slowenen in eine ähnliche Diktion verfallen wie zuvor die Österreicher. Zu Forderungen, die noch lebenden Täter zur Rechenschaft zu ziehen, habe man lieber geschwiegen, statt zur Aufklärung beizutragen. Slowenien sei ein einziger Friedhof, wo immer ein Bagger grabe, stoße man auf menschliche Überreste aus beiden Weltkriegen. Täter könnten auch zu Opfern, Subjekte der Politik zu ihren Objekten werden, beendete Karner seine Ausführungen und mahnte, weder die Vorgeschichte der Vertreibung noch ihre Nachgeschichte auszublenden.

Sektion IV: “Danach: Donauschwaben – eine Spurensuche”

Moderation: Matthias Beer (Tübingen)

Aleksandar Krel – seit 2003 am Ethnographischen Institut in Belgrad tätig – thematisierte die “Ethnische Mimikry der deutschen Minderheit im sozialistischen Jugoslawien”. Von der Auflösung der Lager bis zum Auseinanderbrechen der Sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien hatten die wenigen im Lande verbliebenen, traumatisierten Deutschen (trotz offizieller Gleichstellung seit den 1960-er Jahren) in einem anhaltend antideutschen Klima Angst, ihre wahre Identität zu zeigen und zogen es vor, in die Rolle anderer ethnischer Gruppen mit günstigeren Perspektiven zu schlüpfen. Sie gaben sich, so Krel, bevorzugt als Ungarn oder Kroaten, aber auch als Serben aus, änderten dementsprechend ihre Vor- und Nachnamen und machten ihre Kinder zu Angehörigen der erwählten Volksgruppe. Es kam zu Mischehen und Religionsübertritten. Katholiken waren offen für den Prozess der Kroatisierung. In Karlowitz nahmen die Deutschen kroatische Tracht an, gaben ihre Hülle allerdings wieder ab, als die Kroaten in Serbien kein staatsbildendes Volk mehr waren. Diese Angleichung habe nicht nur zur Folge gehabt, dass die Deutschen bestenfalls als Untergrundgemeinschaft existierten und keine Organisationen, Nationalfeiern oder Symbole besaßen, sondern auch ihre Sprache und Kultur zu verlieren begannen. (Deutsch wurde niemals in der Öffentlichkeit, oft nicht einmal in den Familien gesprochen.) Häufig seien sie den Arbeitsplätzen in Industriestädten gefolgt, wo sie anonym bleiben konnten. Als nach Miloševićs Ära ein Wandel der Werte stattfand, wurde 1992 in Novi Sad der “Deutsche Verein Donau” als erster deutscher Verein seit 1945 gegründet. Dies löste eine Kettenreaktion aus. Der ethnische Winterschlaf war vorbei. Heute gibt es nach Angabe Krels im ehemaligen Jugoslawien 15 deutsche Vereine.

Leni Perenčević – seit Januar 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm und Doktorandin über die Donauschwaben im Spiegel der neueren Literatur – nahm sich der “Donauschwäbischen Erzählungen über Flucht, Vertreibung und Lagerleben” an. Ihr Vortrag brachte Beispiele aus den volkskundlichen Sammlungen des Freiburger Künzig-Instituts. Johannes Künzig hatte als einer der ersten Volkskundler 1952 unter dem Motto “Retten, was zu retten ist” begonnen, Interviews mit donauschwäbischen Zeitzeugen zu führen und sie auf Tonband aufzuzeichnen. Im Mittelpunkt seines Interesses stand die Dokumentation des Alltags in den donauschwäbischen Siedlungen, dennoch sind auch zahlreiche Erzählungen zum Komplex Flucht, Vertreibung, Internierung überliefert. Den Lagern Entkommene berichteten u. a. von den schrecklichen Verhältnissen, dem Überlebenswillen, der Hilfsbereitschaft in der andersnationalen Bevölkerung. Perenčević selbst hat zwischen 2009 und 2011 Interviews mit Zeitzeugen in der Vojvodina geführt und Vergleiche angestellt. Ergebnis: Sowohl die ereignisnahen wie auch die jüngeren Erzählungen zeigen denselben chronologischen Rahmen, der mit der Internierung einsetzt, die Vorgeschichte der Nazi-Besatzung dagegen entfällt. Ein häufiges Motiv sei die Wiederherstellung des kosmischen Gleichgewichts: Partisanen erkranken aus Gewissensnot, ein Fluch lastet auf den Häusern der Donauschwaben. Diese mitgelieferte Interpretation habe eine psychische Entlastungsfunktion, sie sei getragen von Gruppenidentität, alttestamentarischem Glaubensverständnis, Maria fungiere als Beschützerin und Rächerin, die Welt erscheine gespalten in Gut und Böse. Neben ihrem Nutzen für fachgeschichtliche Aspekte seien diese Quellen auch ergiebig, so Perenčević im Fazit, um Mentalitäten zu erforschen.

Wie die Menschen Flucht und Vertreibung nach den Ereignissen im Lande selbst und im Zielgebiet der Zwangsmigration verarbeiten, das verbinde die beiden Referate, bemerkte M. Beer in der Diskussion. Alfred Karasek-Langer und Johannes Künzig seien typische Vertreter von Sprachinselforschern. S. Petrović Todosijević fragte A. Krel, ob in den 90-er Jahren ähnlich wie Kroaten und Serben auch Deutsche Serbien verlassen haben. In Jugoslawien galten sie als Faschisten, in Deutschland dagegen als Kommunisten. Krel antwortete, das wisse er für Karlowitz nicht, sicher aber habe es solche in Subotica gegeben, die als Gastarbeiter nach Deutschland auswanderten. Z. Janjetović fragte L. Perenčević, ob sie bei ihren Interviewpartnern einen Einfluss aus Heimatbüchern feststellen konnte. Sie antwortete, Heimatbücher hätten sich auf den Erzählstil ausgewirkt, aus ihrer Lektüre entstehe Diskurs. Anton Ellmer (Rudolfsgnad/Marchtrenk) beklagte, es sei ein großer Unterschied, ob jemand als Historiker etwas gelesen oder es selbst erlebt habe, etwa die grauenhaften Zustände im Lager Rudolfsgnad. Nicht das serbische Volk habe die Verbrechen begangen, sondern immer Einzeltäter. L. Perenčević meinte, es sei typisch für Lageropfer, dass sie nie und schon gar nicht öffentlich über ihr Schicksal gesprochen haben. Zum Vortrag von S. Karner ergänzte H. Supritz, dass Konfiskationsurkunden archiviert wurden und einsehbar sind. Sie enthielten die theoretische Möglichkeit, innerhalb einer Frist von acht Tagen Widerspruch einzulegen, ein Hohn angesichts der Tatsache, dass die meisten Donauschwaben bereits interniert waren. Zum Vortrag von A. Krel ergänzte Supritz, zur Bildung eines deutschen Nationalrats in Serbien hätten nicht genügend Elektoren gefunden werden können.

Wolfgang Kessler – er war 1989 bis 2011 Direktor der Stiftung Martin-Opitz-Bibliothek in Herne – befragte rund 300 donauschwäbische Heimatbücher zu den Themen Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit in Jugoslawien. Heimatbücher – geschrieben von der Erlebnisgeneration vor allem ab den 50-er bis in die 90-er Jahre – formulieren, so Kessler, das kollektive Gedächtnis der Ortsgemeinschaften und möchten eine Erfolgsgeschichte schreiben. Da sie nicht für eine breitere Öffentlichkeit bestimmt sind, berücksichtigen sie übergeordnete Zusammenhänge kaum. Innerjugoslawische Geschichte findet praktisch nicht statt, die Minderheiten blenden sich in ihren Selbstdarstellungen gegenseitig aus. Oft wehren sich die Verfasser gegen den Vorwurf der “fünften Kolonne”, nicht immer mit geeigneten Argumenten, stellte Kessler fest. Über Angriffe der Partisanen gebe es detaillierte Berichte, ebenso über Trecks auf der Flucht. Berichtet wird auch über das Schicksal der verbliebenen Deutschen. Ab den 80-er Jahren werden, meinte der Referent, die Darstellungen kritischer. Ein spezifisch jugoslawiendeutsches Martyrologium komme erst in den 90-er Jahren mit der Erarbeitung des “Leidensweges” zu Bewusstsein und Geltung. Zu den besten und reflektiertesten Heimatbüchern gehören die über Filipowa. Wie kaum eine andere Gruppe weisen die Donauschwaben akribisch erstellte Listen von Einwohnern und Verlusten aus. Trotz ihrer Mängel habe diese Schriftenklasse als Quelle für die historische Wahrheit ihren Wert, sie stelle Geschichte aus individueller, selbst erfahrener und verarbeiteter Sicht dar. Es werde aber noch ein weiter Weg sein, diese Geschichte als gemeinsame zu schreiben.

Jože Dežman aus Kranji leitet seit 1995 die Regierungskommission der Republik Slowenien für verborgene Massengräber. Er zeigte zunächst ohne Kommentar eine Fülle von Fotos der 800 bisher freigelegten Totenstätten und ließ die entsetzlichen Bilder für sich sprechen. Wenn die Täter schweigen und die Akten vernichtet sind, bleiben archäologische Untersuchungen der einzige Weg, sagte er. Tabuisierte Geschichte habe langfristige Folgen, und unbegrabene Tote seien nicht ein Problem der Vergangenheit, sondern vielmehr der Zukunft. In Jugoslawien gebe es insgesamt etwa 1.500 Massengräber mit 250.000 Opfern. In den 50-er Jahren habe Tito als Massenmörder selbst Stalin überflügelt. Das slowenische Parlament habe den Titoismus deshalb als totalitäres System verurteilt. Rund die Hälfte aller Gefangenen sei in Jugoslawien ums Leben gekommen. Von 13.000 slowenischen Kriegsgefangenen, was einem Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht, sind 90 Prozent getötet worden. Von der Ermordung deutscher Kriegsgefangener habe man auf dieser Tagung bisher nichts gehört. Auch hätten Deutschland und Österreich bisher kein Interesse an diesen Opfern gezeigt, niemand kümmere sich um ihre Gräber. Wenigstens solle Slowenien die eigenen Opfer identifizieren. Dežman nannte zwei preisgekrönte Filme, die das Schicksal der Jugoslawiendeutschen dokumentieren: “Ein Verbrechen, das nicht verjährt” (2004) und “Die Kinder vom Berg Petricek” (2007) von Sloweniens bekanntestem Regisseur Miran Zupanič nach dem Roman von Ivan Ott “Geraubte Kindheit” (1991). Da Maribor in diesem Jahr europäische Kulturhauptstadt ist, müsse man die Anlage einer Parklandschaft auf dem Friedhof von Dubrava auf europäischer Ebene betreiben, forderte Dežman.

“Wo liegt mein Vater, wo meine Mutter, wo die Kinder”, so könne man diese Sektion zusammenfassen, sagte Matthias Beer. Alle Gruppen seien in diesem Gebiet betroffen. Es bedürfe der Archäologie, um Licht in die Zeitgeschichte zu bringen. Die Wissenschaft stehe vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Sie dürfe auch ihre Funktion als Trostspenderin nicht außer Acht lassen.

Podiumsdiskussion in Bad Radkersburg Podiumsdiskussion in Bad Radkersburg - Foto: Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung (Berlin)

Ein “Podiumsgespräch” rundete die Tagung ab. Zoran Žiletić, Germanistikprofessor aus Belgrad, Altpräsident der “Gesellschaft für serbisch-deutsche Zusammenarbeit”, die er im Februar 1991 angeregt hatte, zog eine Bilanz seiner Aufklärungs- und Versöhnungsarbeit. Während der ersten öffentlichen Gedenkfeier am Massengrab von Rudolfsgnad am 7.11.1997, zu der Deutsche aus Subotica und Novi Sad mit Bussen kamen, liefen die Motoren aus Angst vor Angriffen weiter. Die Zeitungen machten damals die Aktivitäten der Gesellschaft lächerlich und satanisierten sie. Doch die Einwohner Rudolfsgnads hatten keine schlechten Erfahrungen mit der Wehrmacht gemacht. Im Juli 1998, führte Žiletić aus, konnte dort im Beisein eines orthodoxen Priesters eine Gedenktafel aufgestellt werden. Bis zum Ende der politischen Karriere von Milošević heizten jugoslawische Medien die Stimmung gegen die Deutschen an, die angeblich auf den Koffern sitzen würden, um zurückzukehren. Erst danach hätten sich die Verhältnisse gebessert.

Jovica Stević erzählte vom Anfang seiner Erkenntnisse über die Verfolgung der Donauschwaben durch seinen Kontakt mit dem 1922 von Deutschen in Sremska Mitrovica/Hessen-dorf gegründeten Fußballclub “Radnički”. Zutiefst berührt von ihrem Schicksal, besonders von dem der über 1.000 Opfer im Lager Svilara, sei er seither zum Kämpfer für die Aufdeckung der Wahrheit und zum Freund der Donauschwaben in aller Welt geworden. Den Beweis dafür hatte Stević druckfrisch mitgebracht: ein in 15-jähriger Arbeit entstandenes Buch mit 2060 Seiten und 2654 größtenteils noch unveröffentlichten Fotos über die Geschichte der Donauschwaben mit Fokus auf Hessendorf, sein berüchtigtes Lager und seinen Fußballclub.

Stefan Barth schilderte als Mitglied der “Arbeitsgemeinschaft Dialog (ARDI) – Initiativkreis für donauschwäbisch-serbische Gespräche” in Wien den schleppenden Verlauf der Annäherung zwischen den deutschen und serbischen Standpunkten. Den Grund dafür sah Barth darin, dass die serbische Bevölkerung eine andere Geschichte kennt als die Donauschwaben. Dennoch habe man viele positive Erfahrungen gemacht und unentbehrliche Kontakte geknüpft. Heute könnten die serbischen Historiker frei schreiben, aber es gebe immer noch Missverständnisse und einen großen Nachholbedarf, um alle Archive zu erschließen und die Meinungen der Historiker verschiedener Länder auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Vor allem sei es bedauerlich, daß die Verbrechen der Tito-Partisanen in ihrer Darstellung zuweilen hinter denen der Nazis versteckt werden. Barth nannte als Beispiel dafür Fotos von einer Partisanenerschießung 1941 in Pantschowa/Serbien, die in der Ausstellung “Daheim an der Donau” kommentarlos gezeigt wurden und daher geeignet waren, eine irreführend einseitige Empörung auszulösen. Während die Deutschen damit ein selbst bei den Nürnberger Prozessen nicht moniertes Verhalten dokumentierten, hätten auf der Gegenseite die Partisanen keine Bilddokumente ihrer Greueltaten hinterlassen.

Nenad Stefanović, Journalist der Belgrader Tageszeitung “Politika”, sah den Dialog grundsätzlich positiv, die Belletristik über Donauschwaben in Serbien werde immer umfangreicher, er nannte die Autoren Ivan Ivanji, Miodrag Maticki, Dragi Bugarčić und Tomislav Ketig. Sein eigenes Buch “Ein Volk an der Donau”, 1996 in serbischer Sprache erschienen, war Augenöffner und Eisbrecher in einem jahrzehntelang von der Politik gesteuerten Klima der Desinformation und Repression. Erstaunlicherweise ist es in einem staatlichen Verlag für Schulbücher erschienen. Das Buch hat in Serbien sechs Auflagen mit 15.000 Exemplaren erlebt. Stefanović hat mit dem in Form eines Reiseberichts zu den Donauschwaben in Amerika verfaßten Band “Erde im Koffer” (2007) gewissermaßen den Fortsetzungsband zu “Ein Volk an der Donau” geliefert, und in seiner Novelle “Der Doktor hört Swing” (2009, liegt bisher nur in serbischer Sprache vor) befaßt er sich abermals, zwar fiktiv, aber doch realitätsnah und solide recherchiert, mit dem Schicksal der Donauschwaben im Vernichtungslager Rudolfsgnad, stellvertretend also mit der grausamen Behandlung der deutschen Minderheit in Jugoslawien durch die Tito-Partisanen. Stefanović erhielt für diese Erzählung den Liplje-Preis, eine Auszeichnung der internationalen Buchmesse im bosnischen Banja Luka. Seine Erzählung wurde zum “Buch des Jahres in serbischer Sprache” gekürt. Leider gebe es für Publikationen dieser Art zu wenige Übersetzungen ins Deutsche, obwohl eine Stiftung für solche Zwecke existiert, bemerkte Stefanović.

Hans Supritz skizzierte als Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Donauschwaben (aus Jugoslawien) und ihr Landesvorsitzender in Baden-Württemberg die Genese seiner Organisation sowie des Weltdachverbandes, um deutlich zu machen, dass bei vielen Besuchen der Landsleute in ihren ehemaligen Heimatorten Freundschaften, Patenschaften, Kooperationen und ein reger Jugendaustausch entstanden sind, eine Aufarbeitung der Geschichte von unten. Politiker der Vojvodina hätten dabei auch den Kontakt zu den Landsmannschaften gesucht, um sich in Richtung Europa zu profilieren.

Gesprächsleiter Christian Glass ergänzte, dass es auch Jugendcamps in Batschka Topola und in Ulm gebe. Er beendete das Gespräch mit einem Zitat aus dem Roman “Treffpunkt jenseits der Schuld” von Johannes Weidenheim, demjenigen Autor, der als erster schon vor fast 60 Jahren wusste, “dass unsere Aussöhnung keine Idylle ist, sondern ein hartes Stück ehrlicher Arbeit unserer Vernunft und unserer Herzen” und diesen Weg konsequent beschritten hatte: “Auf den Standpunkt jenseits der Schuld gelangt man erst, wenn man mindestens zwei Wahrheiten kennt.”

Manfred Kittel bedankte sich als ihr Direktor im Namen der “Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung” bei allen Mitarbeitern der hervorragend organisierten Tagung. Das Tagungsthema habe lange im Schatten der bundesdeutschen und österreichischen Aufmerksamkeit gelegen. Kittel gab seinem Wunsch Ausdruck, dass die jugoslawischen bzw. Belgrader Archive gemäß europäischem Standard unbeschränkt zugänglich werden. Die Tagung habe deutlich gemacht, dass Kollektivschuld-Argumentationen immer höchst problematisch sind. Wenn aber dank der Aufarbeitung der Vergangenheit Brücken geschlagen werden, sei dies des Schweißes allemal wert.

Dr. Carl Bethke, Dr. Zoran Janjetovic Dr. Carl Bethke (links) und Dr. Zoran Janjetovic - Foto: Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung (Berlin)

Das selbst gesetzte Ziel, den aktuellen Stand der Forschung zu präsentieren, hat diese erste Historikerkonferenz ihrer Art nach dem Zweiten Weltkrieg sicherlich in hoffnungsvoll stimmendem Maß erreicht, doch ist wohl zu wenig oder gar nicht nach gemeinsamen Ansätzen der Bewertung gefragt worden, wie es ebenfalls vorgesehen war. Auch wurde wiederholt von Seiten der ihrer Heimat beraubten Erlebnisgeneration auf eine Kluft zwischen erlebter und erforschter Geschichte hingewiesen. Breiterer Raum wäre deshalb den Diskussionen einzuräumen gewesen, denn das Publikum hätte es vielfach begrüßt, neben einer weiteren Verbesserung seines ohnehin hohen Informationsstandes auch Meinungsverschiedenheiten austragen zu können. Nicht einmal das sogenannte Podiumsgespräch war ein echtes Gespräch, sondern bestand hauptsächlich aus etwas solitär wirkenden Erfolgsbilanzen. Aus den einzelnen wissenschaftlichen Ansätzen und Ergebnissen war der inzwischen erreichte Stand von Annäherung und Konvergenz zwischen den einst antagonistischen Sichtweisen kaum ablesbar. Man vermißt generell noch eine höhere Ebene der vermittelnden Betrachtung, wie sie in Weidenheims weitblickendem Roman der alte Jude Horowitz verkörpert, nachdem der Serbe Jastrogonac und der Donauschwabe Daffee sich gegenseitig den Spiegel vorgehalten haben. Erst der dialektische Schritt auf diese Ebene macht zur gegenseitigen Annäherung in ganzheitlich humanem Sinn bereit.

Die Forschungsarbeit über die einst eine halbe Million Menschen umfassende deutsche Minderheit Jugoslawiens steht vielfach noch in den Anfängen. Was man im Vorfeld der politischen Zündstufe zu leisten vermag, hat diese Tagung dennoch exemplarisch und gewiß nicht ohne Signalwirkung gezeigt. Der nach wie vor brennende Bedarf für Aufarbeitung, Verständigung und Versöhnung verlangt allerdings den weiteren Ausbau der interethnischen und zwischenstaatlichen Zusammenarbeit unter Historikern, Zeitzeugen, Journalisten, Literaten, Filmschaffenden und anderen Künstlern sowie – nicht zuletzt – Politikern in der eingeschlagenen Richtung.

2012-05-04